Nach elf Jahren dank Michaela Polleres wieder eine WM-Medaille für Österreichs Judo, aber sonst keine weitere Platzierung bei acht Startern. Die WM in Budapest brachte Licht und Schatten. So groß die Freude auch war, so selbstkritisch ist auch ÖJV-Headcoach Yvonne Bönisch (@Judo Austria/GEPA Christian Walgram). “Natürlich bin ich erleichtert und zufrieden, dass Österreich erstmals seit 2010 wieder angeschrieben hat. Das ist für mich ein sehr guter Einstand, gibt uns als Verband auch Hoffnung für die Olympischen Spiele in Tokio. Dieser Erfolg ist definitiv Teamarbeit vom gesamten Trainer- und Betreuerstab, den Heimtrainer von Michi, Adi Zeltner, nicht zu vergessen. Andererseits hatten wir auch sieben weitere Judoka bei der WM. Da hätten wir uns zumindest eine weitere Top-7-Platzierung erhofft. Da wäre definitiv mehr möglich gewesen. Darauf werden wir in den verbleibenden sechs Wochen bis zu den Olympischen Spielen in Tokio gesteigerten Wert legen”, sagt die deutsche Olympiasiegerin von Athen 2004, die seit Jahresbeginn für den ÖJV arbeitet.
Vor allem hätte sich Bönisch auch noch am letzten Tag, als die Schwergewichte Daniel Allerstorfer und der Wiener Stephan Hegyi auf die Matte stiegen, etwas mehr erwartet. In einem ÖJV-Interview meint sie dazu: “Wir sind schon enttäuscht. Beide haben in ihren Drittrunden-Kämpfen mögliche Chancen liegen lassen. Allerstorfer war gegen Mitfavorit Gela Zaalishvili der bessere Kämpfer, er hätte den Georgier mit aller Ruhe zum dritten Shido zwingen können. Die Sensation war greifbar, aber am Ende fehlte Daniel ein bisschen das Selbstvertrauen, er hat voreilig gehandelt und wurde prompt bestraft. Bei Hegyi war die klare Anordnung: Den Griff immer mit zwei Händen absichern. Nach 35 Sekunden war er kurz mit einer Hand inaktiv, das hat leider der Ukrainer Yakiv Khammo sofort zum Ippon genützt. Auch diese Niederlage wäre vermeidbar gewesen. Stephan muss die WM schnell abhaken, sich jetzt voll auf Tokio und die Olympischen Spiele konzentrieren. Wir werden sehr intensiv am taktischen Feinschliff arbeiten. Generell ist noch einiges zu tun.”
Schon am Dienstag werden bei einem Medien-Termin in Wien die sechs Olympia-Starter vorgestellt. Neben Bernadette Graf (bis 78 kg), Polleres (bis 70 kg) und Magda Krssakova (bis 63 Kilo) hat es auch Sabrina Filzmoser (bis 57 Kilo) in den Olympia-Flieger geschafft. Die zweifache Europameisterin und zweifache WM-Dritte, bis Polleres die letzte Medaillengewinnerin für Österreich, ist über die Kontinental-Quote für Tokio qualifiziert, während es ihr Welser Klubkollege Shamil Borchashvili (bis 81 Kilo) wie Hegyi auf direktem Weg schaffte. Und das ist durchaus ein starkes Sextett. “Wir fahren mit ein paar Top-Leuten nach Tokio – da haben definitiv einige echte Chancen auf Top-Platzierungen bzw. Medaillen. Darauf bauen wir”, sagt die ÖJV-Cheftrainerin. “Die TeilnehmerInnen-Felder sind bei Olympia klein. Da kann man sich sehr spezifisch auf alle potenziellen GegnerInnen vorbereiten. Das werden wir tun. In der Vorbereitung absolvieren wir noch zwei Olympia-Trainingslager in der Slowakei und in Kroatien. Wir werden in sehr guter Verfassung in den Flieger nach Tokio steigen!” Darauf und auf die erste Olympia-Medaille seit Silber von Ludwig Paischer in Peking 2008 hoffen wir alle.
Was ist uns bei der WM 2021 in der Laszlo-Papp-Halle sonst noch aufgefallen?
- Drei der sechs Weltmeister von Tokio 2019, die in den 14 Einzel-Kategorien auf die Matte stiegen, verteidigten ihre Titel erfolgreich: Joshiro Maruyama (JPN) bis 66 Kilo, Jorge Fonseca (POR) bis 100 Kilo und Clarisse Agbegnenou (FRA) bis 63 Kilo. Hingegen scheiterten Christa Deguchi (CDN) als Fünfte bis 57 Kilo, Marie Eve Gahie (FRA) mit dem Ausscheiden in der ersten Runde bis 70 Kilo und Madeleine Malonga (FRA) als Zweite bis 78 Kilo.
- 27 der 118 teilnehmenden Nationen machten zumindest eine Medaille. Im Medaillenspiegel Japan (5/4/2) klar voran, überraschend der dritte Platz von Spanien (1/1/2). Stark Schweden (12.) mit je einmal Silber und Bronze, von den “Kleinen” auch die Schweiz mit einmal Bronze wie Österreich. Medaillenlos blieben – doch überraschend – Judo-Nationen wie Kuba, Großbritannien, Südkorea und auch die USA.
- Im Mixed-Teambewerb, in dem Österreich nicht startete, gewann – wie erwartet – Japan. Im Finale gegen Frankreich gab es einen klaren 4:0-Sieg. Bronze ging an Brasilien und Usbekistan.