Er war Judoka, Nationaltrainer, Clubchef, Präsident des Judo-Landesverbandes Wien, 9. Dan, Buchautor, ein begeisterter Wanderer, Rotwein- und Frankreich-Liebhaber – doch jetzt müssen wir Abschied nehmen von Ernst Raser, der heute, Montag im Alter von 81 Jahren gestorben ist. Wir trauern um einen Judo-Fachmann, um einen Judo-Enthusiasten, um einen genialen Gedichte-Schreiber, aber vor allem um einen guten Menschen und Freund.
In einem seiner stets treffenden Gedichte schrieb Ernst Raser vor wenigen Wochen: Bin ich auch weit von dir und fern, am Himmel leucht ich dir als Stern. Jetzt schaut er auf uns runter, hat das irdische Dasein vollendet. Es bedarf einer langen, sehr langen Geschichte, um einigermaßen Einblick in das Leben des am 31. August 1943 in Wien geborenen Ernst zu geben. Ich als einer, der ihn nicht nur journalistisch seit über 50 Jahren begleitete, werde versuchen, einen authentischen Einblick zu geben …
Ernst Raser war jener Mann, der nach langem, harten Kampf – gemeinsam mit der US-Amerikanerin Rusty Kanogoki – 1980 die erste Judo-Weltmeisterschaft für Frauen ermöglicht hat. Nicht nur, dass diese WM in einer Nebenhalle des New Yorker Madison Square Garden mit drei rot-weiß-roten Titeln durch Edith Simon am Samstag sowie Edith Hrovat und Gerda Winklbauer am Sonntag zu Österreichs erfolgreichsten in der Geschichte wurde, sein Verein hätte sogar eine Klubwertung gewonnen. Denn Simon und Winklbauer kamen von jenem Verein, wo die Judoka lange am Lerchenfelder Gürtel und später in der Neubauer Zollergasse trainierten. Anfangs als JGV Sport Dobias, später als JGV Schuh Ski, am Schluss als JGV Raser.
Da hatte der gute Ernst schon eine belebte Zeit hinter sich. Immerhin wurde er als erst 30-Jähriger Nationaltrainer für Frauen UND Männer, führte Österreichs Team zur grandiosen Heim-WM 1975 in der Wiener Stadthalle, bei der Hans Pollak als Siebenter bis 93 Kilo für die einzige heimische Platzierung gesorgt hatte. Danach wurde Raser als Männer-Coach abgesetzt, es blieben ihm aber die Damen, die er bis Mitte der 80er Jahre betreute. Er ist bekannt als “Vater des Damenjudo-Wunders” – mit der glorreichen WM in New York, mit achtmal EM-Gold für Hrovat, fünfmal EM-Gold für Winklbauer, zweimal EM-Gold für Simon, aber auch einmal für Herta Reiter. Später (als Klubtrainer) schaffte auch Norbert Haimberger den EM-Titel (1992).
Später wurde Raser Funktionär. Von 2011 bis 2022 war er Präsident des Judo-Landesverbandes Wien, beim Ausscheiden wurde er zum Ehrenpräsidenten ernannt. Auch im ÖJV war Raser zwei Jahre (2019 bis 2021) Vizepräsident. Da war er schon 9. Dan – diese hohe Auszeichnung wurde ihm bei der 70-Jahre-Feier des Verbandes im Rahmen der IJF-Gala verliehen.
Judo war sein Leben, aber nicht nur. Er liebte Frankreich, das er als junger Judoka oft bereiste. Beauvallon, wo es einst das Sommercamp gab, war seine erste Station. Dort arbeitete er auch als Kellner oder als “Mädchen für alles”. Er lernte die Sprache, liebte französischen Rotwein – und im reifen Alter fand er mit Marie-Jeanne auch eine Lebensgefährtin in seiner zweiten Heimat. Ernst Raser liebte die Berge, die Natur, die gute Luft und gutes Essen. Zuhause war er eigentlich nur, wenn es einen Livestream von einem Judo-Event irgendwo auf dieser Welt gab. Er sah sich (fast) alles an.
Die Anteilnahme ist groß. Wiens Judo-Verbandspräsident Erwin Schön lernte Raser schon kennen, als er den Lehrwartekurs machte und Ernst Vortragender war. Später holte ihn Raser in den Vorstand des Landesverbandes. “Ich habe ihn für seine Erfolge als Trainer sehr geachtet und immer Wert auf seinen Rat gelegt”, sagt Schön. “Es wird lange dauern, bis wir wieder so einen Fachmann im Judo haben werden.” Auch ÖJV-Präsident Dr. Martin Poiger kondolierte: “Mit Ernst Raser verliert Österreichs Judosport einen seiner Großen. Mein Beileid der Familie.” Der Tod Rasers überschattet auch ein Treffen, bei dem am Wochenende in Kremsmünster die oben erwähnten “Golden Girls” des Damen-Judosports zusammen kommen werden.
Judo, der sanfte Weg – jetzt ist Ernst Raser sanft und für immer eingeschlafen. Wir alle, der Judo-Landesverband Wien, die Judo-Familie Österreich, seine Familie mit Bruder Fritz, seine Freunde und Weggefährten, sind maßlos traurig über das Ableben von Ernst. Uns bleibt nur zu sagen – Ruhe in Frieden, wo immer du jetzt auch bist ,,,
Josef Langer – Pressereferent
Foto: Ernst Raser erhielt bei der IJF-Gala den 9. Dan verliehen - @Judo Austria / Oliver Sellner